3D-gescannte Statue schafft Bewusstsein für Menschenhandel
Es heißt, alle Wege führen nach Rom. In unserem Fall führte uns das 3D-Scannen von Kanada zum Vatikan. Für den kanadischen Bildhauer Timothy Schmalz ging es darum, eine monumentale Skulptur, die an den Menschenhandel erinnert, in gleich zwei Projekten zum Einsatz zu bringen. Zunächst sollten aus der aus Ton gefertigten Originalskulptur zehn maßstabsgetreue Bronzestatuen entstehen, die in Städten auf der ganzen Welt aufgestellt werden. Anschließend entstehen kleinere Versionen, die in 3D gedruckt und an hunderte von Orten weltweit verschickt werden – wobei ein Exemplar dem Papst persönlich überreicht werden soll.
Der weltbekannte Bildhauer Timothy Schmalz präsentiert seine detailgetreue Tonskulptur
„Timothy Schmalz hat hier in einer Kleinstadt eine Werkstatt, mit einem riesigen Raum voller Skulpturen”, sagt Steve Cory, Geschäftsführer des Gold-zertifizierten Artec 3D Partners Objex Unlimited. „Er hat schon einige Arbeiten für den Vatikan und für den Papst gemacht. Es gibt Aufnahmen von ihm mit dem früheren Kirchenoberhaupt und mehrere seiner Skulpturen wurden sogar gesegnet.“
So beeindruckend sein Portfolio auch ist – für den Künstler und bekennenden Katholiken war dieses Werk mit dem Titel „Let he Oppressed Go Free“ (zu Deutsch: „Lasst die Unterdrückten frei“) etwas Besonderes.
„Ich betreibe seit 30 Jahren Bildhauerei und versuche mich daran, meine eigenen Werke zu reproduzieren”, sagt Timothy Schmalz, der auch der Mann hinter der berühmten „Homeless Jesus“ („Obdachloser Jesus“)-Statue ist, die weltweit für Schlagzeilen sorgte.
Eine kleinere Version der Statue sorgt dafür, dass die ganze Welt Zugang zu Kunst erhält und vereinfacht auch die Lieferung wesentlich. Mit Hilfe von 3D-Scantechnologie – in diesem Fall eine Kombination aus Artec Leo und dem HD-Modus der Software Artec Studio – wurde die vollständige sechs Meter große Skulptur gescannt und für die weitere Produktion erfolgreich verkleinert. Dabei wurde jedes Detail berücksichtigt, von der Kleidung, über Accessoires, Haare und Körperhaltung bis hin zu den Gesichtern und deren Ausdruck.
3D-Druck der Statue aus hochauflösenden Daten mit großer Detailvielfalt
„Es ist etwas Besonderes, die Statue von einem großen in ein kleineres Format zu bringen, um dadurch mehr Menschen erreichen zu können”, berichtet Timothy Schmalz und fügt hinzu, dass die kleineren 3D-gedruckten Versionen auch als Werbung für die größeren Replika dienen. „Die Detailtreue dieser gedruckten Statue ist beeindruckend. Nicht nur die Details, sondern auch der menschliche Ausdruck sind in diesem kleinen Scan optimal zu erkennen.“
Die Statue besteht aus etwa 100 Figuren – von der Kinderbraut über den Kindersoldaten bis hin zu jungen Opfern von Sex- und Organhandel. „Menschenhandel ist mehr als nur eine einzelne Geschichte”, so Timothy Schmalz. „Die Skulptur erzählt die Leidensgeschichte von einhundert verschiedenen Menschen.“
Modernste 3D-Scantechnologie hat einen großen Beitrag dazu geleistet. Das skalierte Modell ist so realistisch wie nur irgend möglich, ohne fehlende Details. Der Wert dieser Technologie ist für Timothy Schmalz unermesslich. „Es ist unmöglich, dass ein Mensch so etwas auf manuelle Weise erstellen könnte. Selbst hätte ich diese kleinere Version nicht anfertigen können – obwohl ich das Original erstellt habe.“
Vor dem 3D-Scannen
Timothy Schmalz und Objex Unlimited begannen ihre Zusammenarbeit im Jahr 2015. „Seitdem habe ich etwa 25 bis 30 seiner Skulpturen gescannt”, sagt Steve Cory. Für diese Spezialanfertigung wurde der 3D-Scanner Artec Leo verwendet.
Der Weg führte über mehrere kleinere Reproduktionen der größeren Werke von Schmalz, die er damals von Hand modelliert hatte. Selbst nach über 150 Stunden manueller Arbeit, diese in kleinerem Maßstab nachzubilden, war das Resultat nicht zufriedenstellend.
An diesem Punkt fiel die Wahl auf die 3D-Scantechnologie und den Scanner Artec Leo und dessen hochauflösenden HD-Modus, berichtet Steve Cory, der sich fast ein Jahr lang mit dem Scannen der Statue beschäftigt hatte. Die Möglichkeit, die riesige Skulptur mit Artec Leo erst zu digitalisieren und dann zu verkleinern, war von großem Vorteil. Denn durch diesen Ablauf konnte viel Zeit und Mühe eingespart werden.
Jede Figur in der Skulptur wurde detailgetreu nachgebildet
Die sechs Meter lange Skulptur wurde in drei Stunden an zwei Arbeitagen gescannt. Danach wurden innerhalb von zwei Stunden alle Daten hochgeladen, und in weniger als einem halben Tag alles zusammengesetzt. Die gesamte Verarbeitung erfolgte in der Software Artec Studio, unterstützt durch ZBrush für kleinere Nachbesserungen.
Während des Scanvorgangs wurden die Modelle konstant befeuchtet, um so brüchige Stellen zu verhindern. Ein schneller und reibungsloser Scan sorgt dafür, die Skulptur in einem guten Zustand zu bewahren. Mitunter kam es währenddessen zu weiterführenden Bildhauerarbeiten, sodass sich die Position der Köpfe leicht veränderte.
„Einige Merkmale der Skulptur musste ich neu vermessen, da sie verändert worden waren”, erklärt Steve Cory. „Hier war Artec Studio sehr hilfreich, denn ich konnte einzelne Bereiche mehrerer Scans bearbeiten und später mit anderen zusammenführen – der eigentliche Schlüssel war hier das große Sichtfeld von Artec Leo und die automatische Ausrichtung an früheren Scans.“
Mit integrierter Verarbeitung und einem Touchscreen-Display ermöglicht Artec Leo einen einfachen Scanablauf, bei dem die ganze Aufmerksamkeit auf die anstehende Aufgabe gerichtet bleibt und keinerlei Ausrüstung wie Laptops und Kabel im Weg sind. In Verbindung mit dem HD-Modus ist Artec Leo KI-gesteuert. Der Scanner erfasst und verarbeitet Daten in hochauflösendem Farb-3D in einer hohen Scandichte, wodurch jede Kante exakt rekonstruiert wird. Diese branchenweit einmalige Technologie erwies sich als praktikable für eine so große und detaillierte Aufgabe.
„Für eine Skulptur dieses Ausmaßes hätte ich 10 oder 15 Stunden Arbeit benötigt. In diesem Fall waren wir in einem Bruchteil der Zeit fertig”, so Steve Cory. Das Endergebnis kann sich sehen lassen. Innerhalb von nur zwei Stunden war die digitale Bereinigung dieser massiven Skulptur abgeschlossen. Da die Daten aus Artec Leo so exakt sind, musste kaum Zeit darauf verwendet werden. Auf dieser Grundlage ist ein einmaliges Produkt entstanden.
Nach der Verarbeitung im HD-Modus von Artec Studio umfasste das endgültige Modell fast 100 GB an Daten
Größere Pläne
Während die 3D-gedruckten Modelle nun ihren Weg zu verschiedenen Standorten weltweit antreten, sind die großen, in Bronze gegossenen Statuen noch in Arbeit. Die Arbeiten dauern pro Anfertigung jeweils sechs Monate, da statt Ton Bronze verwendet wird. Im Studio von Timothy Schmalz in China werden diese 10 Statuen hergestellt. Die erste Bronzeskulptur soll an eine Organisation in Washington D.C. in den USA geschickt werden.
Obwohl traditionelle Gussformen weiterhin zum Einsatz kommen, spielt das 3D-Scannen auch in diesem Ablauf keine geringe Rolle. „Wenn eine der Gussformen kaputt oder ungenau ist”, erklärt Steve Cory, „kann sie anhand der Scans neu gebaut werden.“
Jedes Detail der Skulptur wurde festgehalten, wie hier in der 3D-gedruckten Version zu sehen ist
Dies hilft auch bei der späteren Qualitätskontrolle: Anstatt sich auf Bilder zu verlassen, steht eine hochdetaillierte und exakte digitale Referenz zur Verfügung.
Scans helfen auch bei der Installation: In diesem Fall wurde eine DXF-Datei (Drawing Exchange Format) von der Grundfläche der Statue an Architekten geschickt, die an einer der Installationen arbeiteten. „Die Genauigkeit ist mit physischen Messmethoden kaum herzustellen”, so Cory.
Was kommt als Nächstes?
Während der erste Abdruck der kleineren Statue bereits seinen Weg nach Rom gefunden hat, wurde die Übergabe der Statue an den Papst aufgrund der geltenden Abstandsregeln im Vatikan auf unbestimmte Zeit verschoben. Fürs Erste bleibt aber noch genug zu tun, bevor die Skulptur ihre Reise um die Welt antreten kann.
„Ich freue mich über die Möglichkeiten, die uns die 3D-Scantechnologie bietet. Eine 6-Meter-Skulptur ist unfassbar schwer zu bewegen, aber jetzt ist sie in einem handlichen Maßstab verfügbar”, sagt Timothy Schmalz, der hofft, dass die Botschaft durch seine Kunst so weit wie möglich verbreitet wird.
„Von Papst Franziskus kommt die Aussage, dass der Menschenhandel immer existieren wird, solange er verschwiegen wird”, sagt Tim. „Diese Skulptur und ihre kleine Replik schaffen Bewusstsein für dieses Thema und bringen es zur Diskussion.“